Wir leben in einer durch und durch vernetzten Welt, in der globaler Handel, barrierefreie Kommunikation und schnelles Reisen als gegeben angesehen werden. Wir streamen koreanische Serien, videotelefonieren mit unseren Liebsten am anderen Ende der Welt und bestellen die Bento-Box wie die Leberkässemmel. In unserer agilen Business-Welt sollten kulturelle Unterschiede also kaum mehr eine Rolle spielen – oder etwa doch?
Alles nur Vorurteile?
Ich selbst habe einen großen Teil meines Arbeitslebens im Ausland verbracht und stets mit internationalen Teams gearbeitet. Basierend darauf kann ich aus vollster Überzeugung behaupten: Jeder Mensch ist einzigartig, aber kulturelle Prägungen und Unterschiede sind auch in unserer globalisierten Gegenwart eine Tatsache. Aus meiner Erfahrung manifestieren sich diese Unterschiede jedoch eher selten in brachialen Fauxpas, vielmehr sind es kulturelle Nuancen, die die polyglotte Workforce in ihrem Verhalten voneinander trennen. Tatsachen, wie sich auch im Büro mit einem Kuss auf die Wange zu begrüßen, bereichern den Arbeitsalltag. Andererseits gibt es auch jene Elemente, die tatsächlich Einfluss auf unsere Effizienz und Effektivität im Arbeitsalltag nehmen.
Das kommt mir spanisch vor…
Mein liebstes kulturelles Fettnäpfchen stellte sich mir sehr früh bei meinem ersten Job in Spanien in den Weg. Als motivierter, im nördlichen Europa sozialisierter Berufseinsteiger wollte ich natürlich die mir übertragenen Projekte so schnell wie möglich vorantreiben. Wenn ich wo nicht weiterkam, wählte ich den Weg, der mir opportun erschien: mein Anliegen per E-Mail klar darzulegen. Zu meiner großen Verwunderung wurden meine Schreiben geflissentlich ignoriert. Erst als ich meine Kolleg:innen um Hilfe bat, wurde klar, dass mein Vorgehen gut gemeint, aber zum Scheitern verurteilt sei. Schließlich kannten mich meine Ansprechpartner:innen nicht persönlich. „Da kann ja jeder kommen“, wie man in Österreich zu sagen pflegt. Die Lösung war gefunden: Eine Kollegin, mit verwurzeltem Netzwerk, machte mich persönlich mit den Ansprechpartner:innen bekannt. Fazit: In der mediterranen Arbeitswelt ist ohne der sozialen Komponente auch heute kein Staat zu machen.
Konfliktpotenzial Kultur
Beispiele wie das eben dargelegte gibt es viele. Meist sind es sympathische Anekdoten, die für einen Lacher bei der Abteilungsfeier oder Schmunzeln am Familienfrühstückstisch sorgen. Nichterkennen kultureller Unterschiede kann aber zu schwerwiegenden Problemen in der Zusammenarbeit oder persönlichen Kränkungen und der Schädigung des Arbeitsumfeldes führen. Hier liegt es am gesamten Team sich jener Unterschiede bewusst zu sein und für eine Kultur gegenseitigen Verständnisses und Respekts zu sorgen.
Wie erkenne ich kulturelle Unterschiede im Team?
Die Herausforderung liegt darin, dass es mitunter extrem schwierig sein kann kulturelle Unterschiede als solche wahrzunehmen. Die amerikanische Wirtschaftsprofessorin und Autorin Erin Meyer gibt in ihrem Bestseller „The Culture Map“ eine praktikable Anleitung, anhand der es möglich ist, kulturelle Einflüsse auf unser Handeln besser verstehen und bewerten zu können. Hierfür hat sie acht Metriken identifiziert, die, je nach Ausprägung, klare Unterschiede in kulturbedingten Wertvorstellungen erkennen lassen. Forbes schreibt in einer Analyse sehr treffend, dass uns dieses Modell dabei hilft, „Kultur und ihren Einfluss auf internationale Zusammenarbeit zu dekodieren“. Untenstehendes Beispiel illustriert anhand von vier Kulturkreisen, wie das Modell zu interpretieren ist.
Schule deinen Spürsinn für kulturelle Unterschiede
In der täglichen Arbeit, oder auch nur als Gedankenspiel, macht es Sinn, dir das Modell auszudrucken und für dich selbst die Übung zu machen, die eigene Einschätzung von unterschiedlichen kulturellen Prägungen auf der Culture Map zu verorten. Die Ergebnisse werden zum einen oder anderen Aha-Erlebnis führen und dazu beitragen, dass du dich stärker mit dem Thema auseinandersetzt – und so zukünftig noch besser für einen kulturell diversen Rahmen auf Augenhöhe im Unternehmen sorgen kannst!
Fritz Krassnitzer
Email: fritz.krassnitzer@leaders21.com
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